Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Neues Gesetz zu Videoverhandlungen und Änderung des Kündigungsschutzgesetzes

Die aktuelle Gesetzgebungstätigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist sowohl im Hinblick auf das Tempo als auch die Inhalte geradezu revolutionär. Das neueste Gesetzgebungsvorhaben enthält für Arbeitgeber sowohl gute als auch schlechte Nachrichten.

Zu den guten Nachrichten zählt die Einführung der Möglichkeit von Videoverhandlungen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, zu den eher nachteiligen Nachrichten zählt die deutliche Ausweitung der Frist, innerhalb der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreichen können.

1. Videoverhandlungen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit

Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit der aktuellen Covid-19-Situation einen Stillstand der Rechtspflege in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit festgestellt, die mit dem Justizgewährungsanspruch nicht mehr zu vereinbaren ist. Bisher schreibt das Arbeitsgerichtsgesetz, insbesondere für Güteverhandlungen, das Mündlichkeitsprinzip vor, ein schriftliches Vorverfahren gibt es hingegen nicht. In Kündigungsschutzverfahren, die den häufigsten Streitgegenstand vor den Arbeitsgerichten darstellen, gibt es sogar eine besondere Prozessförderungspflicht, wonach Güteverhandlungen innerhalb von zwei Wochen nach Klageeingang stattfinden sollen. Auch mit Einverständnis der Parteien sind schriftliche Entscheidungen mit Ausnahme von Vergleichsabschlüssen nicht möglich.

Nunmehr hat die Bundesregierung einen „Referentenentwurf der Bundesregierung“ eines „Gesetzes zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der Covid-19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ vorgelegt. Die Abstimmung hierzu soll bereits morgen (17.04.2020) beendet werden. Daher ist mit einem kurzfristigen Inkrafttreten zu rechnen. Die Regelung ist (zunächst) bis zum 31.12.2020 begrenzt.

2. Inhalte des Referenten-Entwurfs

Kernpunkt der Neuregelung ist die Einführung eines neuen § 114 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

Danach können in der derzeitigen Lage (epidemische Lage von nationaler Tragweite) die ehrenamtlichen Richter an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus beiwohnen. Sie nehmen an der Verhandlung sowie Abstimmung und Beratung dann durch zeitgleiche Übertragung in Bild und Ton teil. Dabei ist durch eine entsprechende Protokollierung sicherzustellen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung des Beratungsgeheimnisses getroffen wurden.

Hinsichtlich der zu verwendenden Technik verweist die Begründung des Gesetzesentwurfes auf § 128a ZPO, dort ist unter anderem festgehalten, dass eine Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung untersagt ist. Weiter ist das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis durch organisatorische Maßnahmen zu wahren, ein ehrenamtlicher Richter darf sich etwa nicht an einem öffentlichen Ort aufhalten und die Sicherheit der Kommunikationsmedien ist zu gewährleisten.

Gemäß § 114 Abs. 2 ArbGG sollen nach dem Entwurf die Arbeitsgerichte abweichend von § 128a ZPO auch anordnen dürfen, dass die Parteien, ihre Bevollmächtigten und Beistände sowie Zeugen und Sachverständige an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus teilnehmen, sofern diese die technischen Voraussetzungen für die Bild- und Tonübertragung in zumutbarer Weise vorhalten können. Dies wird insbesondere bei Rechtsanwälten vom Gesetzgeber unterstellt. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist eine sofortige Beschwerde möglich, zudem ist den Beteiligten zuvor rechtliches Gehör zu gewähren, um etwaige Hinderungsgründe einer Videoverhandlung geltend zu machen.

Zudem soll nach dem neuen § 114 Abs. 3 ArbGG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden dürfen, wenn in Folge einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite der erforderliche Gesundheitsschutz nicht zu gewährleisten ist. Nach der Gesetzesbegründung ist der Ausschluss der Öffentlichkeit auch im Falle von Videoverhandlungen nicht zwingend, da zum Beispiel bei Vorhandensein hinreichend großer Sitzungssäle und  angesichts des in der Arbeitsgerichtsbarkeit ja nicht seltenen geringen Interesses der Öffentlichkeit an einer Teilnahme eine gründliche Interessenabwägung vorzunehmen ist.

Besonderheiten gelten für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht und den Sozialgerichten.

Weiter ist für die bisher  üblichen Verkündungstermine vorgesehen, dass insoweit anstelle einer Verkündung vor Ort  eine Zustellung der Entscheidung erfolgen kann.

3. Änderung des Kündigungsschutzgesetzes

Scheinbar sachfremd, jedoch vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten Prozessbeschleunigungsgrundsatzes in Kündigungsschutzverfahren durchaus nachvollziehbar, hat der Gesetzgeber auch eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes vorgesehen. Gemäß eines neuen Paragraphen 25a KSchG soll im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5  IfSG  § 4 S. 1 KSchG mit der Maßgabe Anwendung finden, dass der Arbeitnehmer innerhalb von fünf Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben muss.

Diese durchaus erhebliche Verlängerung der Klageerhebungsfrist von derzeit drei auf künftig fünf Wochen ist aus Arbeitgebersicht nicht unproblematisch. Der kündigende Arbeitgeber wird (unter Berücksichtigung der derzeit verlangsamten Zustellungen durch die Gerichte) regelmäßig erst zwei Monate nach Ausspruch einer Kündigung (oder noch später) davon Kenntnis erhalten, ob ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat.

Im Hinblick auf die Befristung des Gesetzes zum 31.12.2020 hält die Gesetzesbegründung ausdrücklich fest, dass im Hinblick auf § 25a KSchG die Verlängerung der Frist für alle Kündigungen gelten soll, die bis zum 31.12.2020 zugehen.

4. Fazit

Die Einführung von Videoverhandlungen ist ein grundsätzlich zu begrüßender Schritt. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass ungeachtet der aktuellen Pandemielage eine Aufhebung der Befristung erfolgen könnte, wenn sich das Verfahren bewährt. Hierbei wird allerdings zunächst  abzuwarten sein, wie sich die Gerichte in der Praxis zu den neuen Möglichkeiten stellen, zumal in vielen Gerichten die notwendigen technischen Voraussetzungen (noch) nicht vorliegen. Zwar verweist die Gesetzesbegründung insoweit darauf, dass die Anschaffung der notwendigen Hard- und Software nicht übermäßig kostspielig ist, dennoch lässt die bisherige IT-Ausstattung vieler Gerichte daran zweifeln, dass von den neuen gesetzlichen Möglichkeiten wirklich alsbald in großem Stil Gebrauch gemacht wird.

In jedem Fall zu berücksichtigen sein wird die Verlängerung der Frist zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die betrieblichen Personalplanungen des Unternehmens haben.